Sind die noch ganz Banane? Immer mehr Start-Up Unternehmen spezialisieren sich auf die Herstellung von Fleisch. Und das ganz ohne Tier, sondern im sterilen Chemielabor.

Kultiviertes Fleisch ist Fleisch, das durch Gewebezüchtung im Labor hergestellt wird. Wie sinnvoll ist diese Idee wirklich, um der Massentierhaltung entgegenzuwirken und so auch die Umwelt zu schonen? Wir klären Sie auf!

Worauf basiert diese Idee?

Basis dafür ist die Methode der Zellkultur (Gewebezüchtung). Ab 1994 bediente sich das Tissue Engineering diverser In-vitro-Modelle ab 1994. Dies geschah im Zuge einer Hygiene-Untersuchung (Bestimmung der Keimzahl in Fleischproben). Beginnend mit 1997 wurden Muskel- und Fettzellen als Basis für Untersuchungen des Fettstoffwechsels herangezogen. Die Zelldichte konnte durch Nutzung der Oberfläche von Kollagen erhöht werden. Die Zellen konnten besser mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt werden. Dies wurde durch das Rotieren des Mediums in Zellkulturflaschen erreicht werden. Das Ausgangsmaterial besteht aus pluripotenten Stammzellen. Daraus wachsen primäre Zellen von Myozyten.

Um die Struktur von Fleisch zu erreichen, werden Myoblasten verwendet. Die Ausgangszellen werden dafür mittels einer Biopsie dem Tier schmerzfrei entnommen. Dafür müssen auch keine Tiere getötet werden. Diese Methode beruht auf den Erkenntnissen aus der Humanmedizin. Sie wird zur Nachzüchtung von Hautzellen verwendet. Diese wird für schwerstverletzte Brandopfer benötigt. Dünne Lagen sind bereits möglich. Für Hackfleisch werden diese einfach über einander gelegt. Strukturen für Steaks sind schon um einiges schwieriger. Das passiert fast so, wie wenn Rosen am Spalier hochgezogen werden. Die Strukturen werden an einem dreidimensionalen Gerüst hochgezogen bis diese „reif“ sind. Dafür ist aber auch „Muskelbewegung“ wie beim „echten“ Fleisch notwendig. Diese wird durch mechanische Bewegung ersetzt.

Die Herstellungsweise kurz zusammengefasst

Stammzellenkulturen werden zunächst angelegt. Im Labor werden diese dann zu Muskelfasern ausdifferenziert. Diese wachsen dann zu einem Stück Fleisch heran. Sie teilen sich und bilden neues Gewebe. Das wird dann solange wiederholt, bis Billionen von Zellen entstanden sind.

Bis 2050 wird die Fleischproduktion mehr als verdoppelt. 34 Millionen Quadratkilometer Landfläche werden zum Futtermittelanbau und der Viehhaltung verwendet. 68 % der Emissionen von Ammoniak entstehen als Abfallprodukt bei der Viehhaltung. Massentierhaltung, Viehtransporte, etc. haben dazu beigetragen, dass sich Seuchen ausbreiten. Kann die Viehhaltung reduziert werden, ist auch Viehwirtschaft im Premium-Segment wieder möglich. Weniger Tiere müssen geschlachtet werden.

Die Umwelt wird geschont. Züchtungen im sterilen Umfeld oder in Bioreaktoren sind besser für die industrielle Produktion geeignet. Giftstoffe und Krankheitserreger können unter diesen Bedingungen besser ferngehalten werden. Ausscheidungsprodukte der Tiere werden reduziert. Zudem können einige wesentlich zeitaufwendige Arbeitsschritte in der Fleischproduktion eingespart werden. Die Entfernung von Knochen, Haaren und Innereien nimmt grundsätzlich viel Zeit in Anspruch. Darüber hinaus ist es möglich, durch Gentechnologie den Nährwert des Produktes „Fleisch“ zu erhöhen. Laborfleisch weist eine bessere Energiebilanz auf. Pflanzliche Ernährung ist aber trotzdem im Vorteil. Außerdem ist die Produktion von kultiviertem Fleisch sehr kostenintensiv.

Welche Fortschritte wurden weltweit erzielt?

Der erste In-vitro Burgerwurde von Mark Post und seinem holländischen Team entwickelt und 2013 in London getestet (Universität Maastricht). Die Kosten beliefen sich auf 250.000 Euro. Sergey Brin, einer der Gründer von Google, finanzierte das Projekt. 2020 sollte das Produkt für den Preis von 90 Dollar pro Kilogramm marktfähig sein. 2016 präsentierte Memphis Meats (USA) ein Fleischbällchen aus Rinderstammzellen. 2017 nannten die Niederländer einen Preis von 11 Dollar pro Burger bis zum Jahr 2020. Die Niederländer haben die Firma Mosa Meat gegründet und berichteten über die Entstehung von Konkurrenzunternehmen in Israel und den USA. Der Geschmack konnte mittlerweile durch Fettgewebe aus Rinderstammzellen verbessert werden. 2018 haben sich sowohl die Merck KGaA mit 5,5, Millionen Euro als auch die Bell Food Group mit 2 Millionen Euro an der niederländischen Mosa Meat beteiligt. So wurden bessere finanzielle und fachtechnische Voraussetzungen für weitere Entwicklungen geschaffen.

In Israel hat der Franzose Didier Toubia, CEO von Aleph Farms das erste „Steak“ aus kultiviertem Fleisch hergestellt. Die Textur ist gut. Die Stärke ist leider noch viel zu gering und die Kosten noch immer zu hoch. Diese belaufen sich derzeit noch auf 50 Dollar für dieses Steak. Dieses Steak wurde aus einer Mischung aus Zelltypen, die auf einem fetalen Rinderserum basieren, hergestellt. Das Rinderserum wird aus dem Blut von Kuhföten gewonnen. Der Bratenduft riecht wie bei echtem Fleisch. Toubia ist davon überzeugt, dass sich die Kosten durch die Auslagerung vom Labor in eine Fertigungshalle wesentlich senken lassen. Fünf Millimeter Stärke ist nicht viel. Deshalb wurde mit Shulamit Levenberg, einer Expertin für Tissue Engineering eine Kooperation eingegangen.

Laborfleisch auch in Jerusalem, Tokio und Los Angeles

Pflanzliche Eiweißalternativen und kultiviertes Hühnerfleisch liegen momentan noch immer kostengünstiger. So hat das Start-up „Future Meat“ in Jerusalem vor, Hühnerfleisch am Stück herzustellen. Ein Kilogramm kostet 690 Euro. Das Ziel ist, 2020 einen Kilopreis von höchstens 8,60 Euro zu erreichen. Memphis Meat aus San Francisco hatte 2016 das erste Labor-Fleischbällchen produziert. 2017 folgte das erste kultivierte Hühnerfleisch.

Integriculture hat in Zusammenarbeit mit der gemeinnützigen Organisation Shojinmeat in Tokio 2017 laut eigenen Angaben die erste im Labor entwickelte Geflügel-Stopfleber der Presse vorgestellt. Die Produktionskosten lagen bei ca. 800 Euro pro Kilo.

Finless Foods möchte spätestens Ende 2019 ein im Labor hergestelltes Blauflossen-Thunfisch Erzeugnis auf den Markt bringen.

Das Unternehmen Beyond Meat in Los Angeles produziert Hühnchenstreifen aus Erbsenprotein. Bill Gates hat einen Taco von Beyond Chicken für echtes Fleisch gehalten. Der Impossible Burger besteht aus Häm, einer Verbindung, die auch im echten Fleisch vorkommt. Diese kann auch pflanzlich gewonnen werden und bewirkt, dass Fleisch brutzelt, blutet und fleischig schmeckt.

Hampton Creek stellt vegane Nahrungsmittel auf pflanzlicher Basis, z. B. aus Mungobohnen her, aber keine pflanzlichen Fleischalternativen! Josh Tetrick, der CEO des Unternehmens meint dazu, dass in seiner Heimat fast alle Farmer sind und keiner davon einen Hamburger aus dem Labor essen würde.

Welche administrativen Hürden gibt es?

Die US Zulassungsbehörde FDA hat bereits bekannt gegeben, dass keine Sicherheitsbedenken bestehen würden, sollte kultiviertes Fleisch korrekt und nach allen gängigen Vorschriften hergestellt werden. Es erfolgte jedoch noch keine Zulassung. Der Zulassungsprozess dauert normalerweise sehr lange. Die Hersteller räumen auch die letzten Bedenken aus, indem sie die Vorzüge dieses Verfahrens preisen. Es gibt keine Keime oder Schädlinge. Der Fettgehalt kann niedrig gehalten werden. Omega-3-Fettsäuren gelten als sehr gesund. Diese können ebenfalls in das Laborfleisch eingebracht werden. Eine weitere Hürde stellt der sogenannte Ekelfaktor dar. Viele Menschen möchten einfach kein Fleisch aus dem Labor. Für sie ist es „unnatürlich“ entstanden. Deshalb wollen Hersteller dem entgegentreten, indem sie Betriebsführungen organisieren. Die Konsumenten sollen sich vergewissern können, dass ihr Fleisch „sauber“ hergestellt wird. Tierzüchter halten dagegen, indem sie festhalten, dass die Stammzellen trotzdem immer noch aus lebendigen Tieren gewonnen werden müssen.

Bill Gates und viele andere Investoren fördern trotzdem die Entwicklung, weil sie diesem Herstellungsverfahren großes Potenzial zuschreiben. Sie sehen vor allem den positiven Umweltfaktor darin, dass durch weniger Treibhausgasemissionen (Transport, Methangas der Kühe, etc.) die Umwelt geschont wird. Der Energieverbrauch wird zwischen 7 und 45 Prozent gesenkt. Der Wasserverbrauch sinkt um 82 bis 96 Prozent. Das waren die Ergebnisse einer Studie der Universität Oxford.

Wie findet Otto Normalverbraucher kultiviertes Fleisch?

Fleischbällchen waren bis jetzt am leichtesten herzustellen. Die Idee, die Umwelt nachhaltig zu verändern, etwas Gutes für die Tiere zu tun, finden generell fast alle Menschen gut. Viele mögen den Gedanken überhaupt nicht, dass ihr Stück Fleisch nicht von der Weide kommt. Sie essen prinzipielle nur das, was sie natürlich „wachsen oder laufen“ gesehen haben. Andere wiederum finden den Gedanken an die Entstehung in einem Labor ekelhaft. Es gab bereits Verkostungen, wo die Probanden nicht wussten, wo ihr Stück Fleisch herkam. Sie konnten meistens das „Echte“ nicht vom „Falschen“ unterscheiden. Ein wesentliches Argument ist, warum nicht gleich pflanzlich herstellen, wenn auch hier schon vieles möglich ist. Einiges ist auch hier machbar, aber noch nicht alles.

Hält Laborfleisch, was es verspricht?

Die größten Hürden sind die Zulassung, die Kosten und die Einstellung, dass nur natürlich „Gereiftes“ und „Gewachsenes“ gesund ist und gegessen werden sollte. Die Kosten sind momentan noch ziemlich hoch, liegen aber schon um einiges niedriger als noch vor einigen Jahren. Der Umweltfaktor ist sicher gegeben. Die Energieeinsparung nicht ganz, denn auch hier wird viel Energie für die Produktion verbraucht. Die Marktreife ist eine weitere Hürde, an der mit Nachdruck gearbeitet wird. Der Geschmack, der Bratenduft und das Aussehen kommen dem von herkömmlichem Fleisch ziemlich nahe. Die Konsistenz und Stärke (z. B. beim Steak) lassen noch zu wünschen übrig.

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