GAP nach 2020: Geld mit Gemeinwohlleistungen verdienen, anstatt durch Landbesitz
Berlin, 17.07.2019. Gestern hat der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft seine Empfehlungen an Ministerin Julia Klöckner zur Zukunft der europäischen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) übergeben. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), begrüßt die Forderungen und kommentiert:
„Es besteht ein sehr hoher Veränderungsdruck in Landwirtschaft und Gesellschaft, da können wir uns keine unwirksamen teuren Politikmaßnahmen mehr leisten. Die Wissenschaftler stellen erneut fest, dass die bisherige GAP keinen hinreichenden Beitrag zur Reduzierung von Umweltbelastungen leistet. Das ist Rückenwind für Bundesministerin Klöckner durch ihren wissenschaftlichen Beirat, wenn sie eine ambitionierte Agrarpolitik für mehr Umwelt-, Klima- und Tierschutz in Brüssel einfordern will.“
allgemeinen Anforderungen für alle Betriebe müssten steigen
Löwenstein bezieht seine Aussage auf den Vorschlag der EU-Kommission, in beiden Säulen der Agrarpolitik Öffentliche Leistungen zu fördern: In den nach Hektar bemessenen Zahlungen der „ersten Säule“ durch strengere Grund-Anforderungen („Konditionalität“) sowie durch spezifische freiwillige Maßnahmen („Eco-Schemes“) und in den Programmen der „zweiten Säule“, in der Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen gemeinsam durch EU und Mitgliedsstaaten finanziert werden.
„Diese drei Instrumente hängen in ihrer Wirkung zusammen und werden auch in der politischen Diskussion verbunden bewertet. Wird weiter der Löwenanteil – aktuell 80 % im Schnitt – über die Direktzahlungen verteilt, müssten die allgemeinen Anforderungen für alle Betriebe steigen. Dass das nicht funktioniert und auch Landwirte nicht zu Mehrleistungen für Klima- und Tierschutz motiviert, hat die aktuelle GAP gezeigt.
jährlich steigendes Mindestbudget
Der wissenschaftliche Beirat liefert der Ministerin den Ausweg aus dem Dilemma: nur ein jährlich steigendes Mindestbudget über beide Säulen bringt einen effektiven Maßnahmenmix für mehr Umwelt-, Klima- und Tierschutz. So wird den einzelnen Staaten, sowie in Deutschland den Bundesländern, ein Maximum an Flexibilität und regionaler Anpassung gegeben. Für ein solches Vorgehen könnte Ministerin Klöckner viel leichter Verbündete in Europa und bei den Bundesländern finden. Gleichzeitig wird so verhindert, dass einzelne Staaten sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, indem sie einen Großteil in den weitgehend unwirksamen Direktzahlungen belassen und nur wenig Geld für spezifische öffentliche Leistungen ausgeben.“
Der BÖLW unterstützt den wissenschaftlichen Beirat auch darin, die Veränderungen schrittweise vorzunehmen: „Das ermöglicht, dass sowohl der Pachtmarkt als auch der Markt für Agrarprodukte sich anpassen und verhindert, dass es bei den Einkommen der Bäuerinnen und Bauern zu Brüchen kommt.
Wenn Bundesministerin Julia Klöckner dem Rat ihrer Wissenschaftler folgt, hat sie gerade jetzt die besten Chancen, in der EU eine wirksame Veränderung anzustoßen. Denn schließlich ist es ihre bisherige Kabinettskollegin, Ursula von der Leyen, die den Prozess zur Neugestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik jetzt erfolgreich zum Abschluss führen muss.“
Hintergrund
Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) berät das BMEL. Die 19 unabhängigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler machen in ihrer Stellungnahme deutlich, dass das Steuergeld Umwelt-, Klima- und Tierschutz statt Flächenbesitz belohnen muss und zeigen auf, wie das umgesetzt werden kann. Das geht deutlich über die am Montag im europäischen Agrarrat von Ministerin Klöckner geforderten Anforderungen an die GAP hinaus. Kappung und Degression der Agrarzahlungen lehnt die Bundesregierung ab.
Mit jährlich 60 Mrd. € bestimmt die EU-Agrarpolitik (GAP), welche Landwirtschaft sich in Europa lohnt. Alle sieben Jahre wird die GAP reformiert, derzeit verhandeln Mitgliedsstaaten und EU-Parlament über die Agrarförderung nach 2023. Eine Forsa-Umfrage zeigt: Zwei Drittel der Landwirte wünschen sich eine andere EU-Agrarpolitik. Aktuell durchkreuzt die EU mit der EU-Agrarpolitik ihre eigenen Ziele, zu denen sich die Staatengemeinschaft mit Blick auf das Klima, die Umwelt, Artenvielfalt oder lebendige Dörfer verpflichtet haben.
Was entscheidend ist für eine zukunftsfähige GAP:
- Statt 70 % Pauschalzahlungen nach Fläche brauchen wir 70 % der gesamten EU-Fördermittel für die Honorierung von freiwilligen Leistungen für den Umwelt-, Klima- und Tierschutz
- Verbindliche Umwelt-, Klima- und Tierschutzziele für alle Mitgliedsstaaten, um einen Dumpingwettbewerb um die geringsten Umweltstandards zu verhindern
- Ein großer Teil der Direktzahlungen der ersten Säule müssen für freiwillige Umweltmaßnahmen (Ecoscheme) genutzt werden
- Mittel aus der ersten Säule müssen in die finanziell geschwächte zweite Säule umgeschichtet werden, um dort Agrarumweltmaßnahmen, den ökologischen Landbau und Maßnahmen zur flächengebundenen artgerechten Tierhaltung finanzieren zu können
- Die Vorgaben für die künftige Investitionsförderung für Stallbauten müssen sich an den baulichen Vorgaben der EU-Öko-Verordnung orientieren. Nur so kann für konventionell wirtschaftende Betriebe sichergestellt werden, dass sie später auf ökologischen Landbau umstellen können
Mehr zu GAP auf der BÖLW-Webseite, s. www.boelw.de/themen/eu-agrarpolitik
Der BÖLW ist der Spitzenverband deutscher Erzeuger, Verarbeiter und Händler von Bio-Lebensmitteln und vertritt als Dachverband die Interessen der Ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft in Deutschland. Mit Bio-Lebensmitteln und -Getränken werden jährlich von über 46.000 Bio-Betrieben 10.91 Mrd. Euro umgesetzt. Die BÖLW-Mitglieder sind: Arbeitsgemeinschaft der Ökologisch engagierten Lebensmittelhändler und Drogisten, Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller, Bioland, Biokreis, Biopark, Bundesverband Naturkost Naturwaren, Demeter, Ecoland, ECOVIN, GÄA, Interessensgemeinschaft der Biomärkte, Naturland, Reformhaus®eG und Verbund Ökohöfe.
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